Stimmt es wirklich, dass Onlinkurse weniger Zeitaufwand und mehr Umsatz bedeuten?
Der Goldtopf am Ende des Regenbogens für alle Coaches, Soloselbstständigen und kleine Unternehmen: Onlinekurse.
Wenn man Social Media und dem Internet an sich glauben darf, dann sind Onlinekurse der Heilige Gral.
Sie sparen Dir jede Menge Zeit und während Du unter Palmen gemütlich Deinen Pinacolada schlürfst, macht Deine Kasse minütlich ganz ohne Dein Zutun Katsching.
So oft, dass Du schon mal Deinen Steuerberater anrufst, um die neuesten Steuerspartricks zu erfragen, damit das so herrlich automatisch generierte Einkommen nicht am Ende vom Staat eingesackt wird …
Klingt toll.
Finde ich auch.
Hätte ich auch gerne so.
Habe ich aber nicht.
Nicht weil ich zu doof dazu bin, sondern weil ich weiß, dass dieses Geschichte Lücken hat.
So massive Lücken, dass, wenn man böse wäre, sie als Lügen bezeichnen könnte wenn man wollte.
Aber das wollen wir natürlich nicht.
Wir schauen uns einfach mal ganz neutral das Geschäftssystem „Onlinekurs“ als Coach, Soloselbständige/r und kleines Unternehmen an.
Wir beleuchten, was es braucht, um so einen automatisierten Onlinekurs zu erstellen, zu pflegen, zu promoten und am Laufen zu halten.
Dabei ziehen wir den Vergleich zu einem einfachen 1:1 Onlinecoaching bzw. Beratungsgespräch.
Natürlich mit Rechenbeispielen, wieviel Zeitaufwand, tatsächlich drin steckt und wieviel man für diesen Zeitaufwand wirklich rauskriegt.
Und dann schauen wir mal was dran ist an der These, dass man als Coach mit Onlinekursen mit wenig Zeitaufwand ein Vermögen verdienen kann.
Kurz: Wir prüfen die Skalierungsidee auf Herz und Nieren.
Hier als Podcast hören:
Hier als Artikel lesen:
Die Verlockung der Onlinekurse und wie hoch der Zeitaufwand wirklich ist.
Onlinekurse werden oft als der heilige Gral für Coaches und Einzelunternehmer präsentiert.
Das Versprechen: ein Haufen passive Einnahmen, während Du unter Palmen Deine Freiheit genießt.
Die Idee: Der Kurs wird einmal erstellt und immer wieder ganz automatisch verkauft.
Das klingt super.
Finde ich auch.
Hätte ich auch gerne.
Und ich habs ausprobiert …
Was soll ich sagen: Die Realität sieht nicht ganz so aus wie dargestellt.
Versteh mich nicht falsch: Onlinekurse sind ein gutes Geschäftsmodell.
Keine Frage …
Aber gerade für Einzelunternehmer:innen, die eh mit ihrer Zeit jonglieren müssen, sind Onlinekurse am Ende deutlich aufwendiger, als erwartet.
Der Zeitaufwand bei Einzelcoachings: Der Status quo
Lass uns zunächst einmal den Status quo beleuchten.
Damit meine ich den Zeitaufwand den Coaches und Berater:innen bei ordinären 1:1 Beratungen haben.
#1: Coaching-Zeit pro Kund:inn
Wir gehen von folgendem Beispiel aus:
Ein typisches Einzelcoaching umfasst wöchentliche oder zweiwöchentliche Sitzungen.
Bei zehn Kund:innen, die jeweils eine Stunde Coaching pro Woche benötigen, ergeben sich pro Woche:
- 10 Stunden reine Coachingzeit.
- Zusätzlich etwa 2 Stunden insgesamt für Vor- und Nachbereitung, wie das Erstellen von Materialien, Notizen oder Feedback.
Gesamtzeit: 12 Stunden/Woche.
#2: Marketing für Einzelcoachings
Auch das Content-Marketing kostet Zeit. Social Media Marketing, Newsletter schreiben bzw. Kennenlerngespräche sind die Regel. Lass uns dafür einen mittleren Zeitaufwand ansetzen:
- 3 Stunden pro Woche für die Erstellung von Content (Posts, Videos).
- 2 Stunden für direkte Kommunikation mit Interessent:innen (z. B. via E-Mail oder DMs).
Gesamtzeit: 5 Stunden/Woche.
#3: Gesamtrechnung
Mit 10 Kund:innen investiert unser Beispiel etwa 17 Stunden pro Woche in Coaching und Marketing. Der Verdienst pro Kund:inn liegt in der Regel bei 1.000 € pro Monat (bei wöchentlichen Sessions).
- Monatlicher Umsatz: 10.000 € (10 Kunden).
- Verdienst pro Stunde: 147 €.
- Macht einen Stundensatz von: 250 €
Steuern und Buchhaltung lassen wir weg und nehmen an, dass diese genauso bei Onlinekursen anfallen. Somit in unserem Beispiel am Ende für den Vergleich nicht relevant werden.
Der Mythos der Zeitersparnis durch Onlinekurse und wieviel Zeit Du wirklich aufwenden musst
Jetzt kommt es! Wir lassen das Wunderwerk Onlinekurs gegen die Einzelcoachings antreten.
Das wird so in der Regel nämlich nicht gemacht.
Und wenn, dann unter anderen Parametern.
Hier schon mal der erste Tipp:
Schau Dir immer genau an, unter welchen Prämissen Beispiele gerechnet sind.
Das gilt übrigens überall im Leben.
In unserem Beispiel geht es darum, die 17 Stunden wöchentlichen Aufwandes zu minimieren und bestenfalls noch mehr Geld rauszubekommen.
Wobei … Nein, es geht definitiv darum auch mehr Geld rauszubekommen.
Das ist ja das Versprechen, welches auf dem Prüfstand steht.
Dann schauen wir uns mal den realen Zeitaufwand an.
#1: Aufbau eines Onlinekurses
Ein hochwertiger Onlinekurs erfordert Vorarbeit:
- Konzeptentwicklung: Zielgruppenanalyse, Struktur des Kurses → 20 Stunden.
- Produktion: Skripte schreiben, Videos aufnehmen, schneiden, Präsentationen erstellen → 40 Stunden.
- Technischer Aufwand: Plattform wählen, einrichten, Tests durchführen → 10 Stunden.
Gesamtzeit: 70 Stunden allein für die Erstellung.
Auch hier ist ein mittlerer Zeitaufwand zugrunde gelegt.
#2 Pflege und Aktualisierung
Ein erstellter Kurs bleibt nicht wartungsfrei:
- Beantwortung von Teilnehmerfragen (besonders bei Kursstarts): 2–3 Stunden/Woche.
- Inhalte aktualisieren und verbessern: 10 Stunden pro Quartal.
- Irgendwas läuft immer nicht rund (ich spreche aus Erfahrung)
#3 Marketing für Onlinekurse
Hier liegt der größte Zeitaufwand. Onlinekurse erfordern skalierbare Marketingstrategien vor allem dann, wenn alles automatisiert laufen soll.
- Salesfunnel-Aufbau: Erstellung von Landing Pages, automatisierte E-Mail-Sequenzen → 15 Stunden (Das ist knapp berechnet).
- Werbekampagnen: Anzeigen schalten, A/B-Tests durchführen, optimieren → 5 Stunden/Woche.
- Content-Marketing: Vertrauen aufbauen, Expertise zeigen → 3 Stunden/Woche (die meisten Profis die dieses Modell fahren haben eine Vollzeitkraft hierfür engagiert. Just saying)
Gesamtzeit: ca. 8 Stunden/Woche für laufendes Marketing.
Hier ist die aktualisierte Tabelle mit einer dritten Spalte für den Onlinekurs, bei dem der Preis auf 1.000 € pro Teilnehmer festgelegt ist:
Vergleich Zeitaufwand: Einzelcoachings vs. Onlinekurse
Kategorie | Einzelcoaching (10 Kunden) | Onlinekurs (10 Teilnehmer, 500 €/Kurs) | Onlinekurs (10 Teilnehmer, 1.000 €/Kurs) |
Initialer Aufwand | Gering (Start mit Marketing) | Hoch (70+ Stunden Entwicklung) | Hoch (70+ Stunden Entwicklung) |
Laufender Coachingaufwand | 12 Stunden/Woche | 2–3 Stunden/Woche (Fragen beantworten) | 2–3 Stunden/Woche (Fragen beantworten) |
Marketingaufwand | 5 Stunden/Woche | 8 Stunden/Woche | 8 Stunden/Woche |
Monatlicher Umsatz | 10.000 € (1.000 €/Kunde) | 5.000 € (10 Teilnehmer à 500 €) | 10.000 € (10 Teilnehmer à 1.000 €) |
Monatliche Fixkosten | 30–300 € (Zoom + Ads) | 630 € (Plattform + Ads + Tools) | 630 € (Plattform + Ads + Tools) |
Gewinn ohne Buchhaltungskosten pro Stunde | 147 € | 50–80 € (abhängig von Ads-Kosten) | 100–130 € (abhängig von Ads-Kosten) |
Zusammenfassung der Ergebnisse:
- Einzelcoaching: Bei 10 Kunden à 1.000 €/Monat ergibt sich ein stabiler Umsatz von 10.000 €, der mit 17 Stunden Arbeit pro Woche erzielt wird. Der Umsatz pro Stunde ist mit 147 € sehr hoch.
- Onlinekurs (500 €): Der geringere Preis führt trotz 10 Teilnehmern zu einem Umsatz von nur 5.000 €. Nach Abzug der Fixkosten (630 €) ist der Umsatz pro Stunde deutlich niedriger.
- Onlinekurs (1.000 €): Mit einem höheren Preis erreicht der Kurs 10.000 € Umsatz, ähnlich dem Einzelcoaching. Dennoch ist der Stundenlohn niedriger (100–130 €), da Fixkosten und Werbeaufwand den Gewinn belasten.
Fazit aus der Tabelle:
Auch bei einem teureren Onlinekurs (1.000 € pro Teilnehmer) ist der Umsatz pro Stunde meist niedriger als im Einzelcoaching.
Der initiale Aufwand und die kontinuierlichen Fixkosten machen Onlinekurse nur bei einer starken Skalierung langfristig profitabler.
Darüber hinaus gilt: Je teuerer der Kurs, umso höher der Marketingaufwand und am Ende auch der Anspruch an die laufende Betreuung …
Selbst wenn ein Kurs anfangs passiv wirkt, bleibt der Pflege- und Marketingaufwand dauerhaft hoch.
Ein automatischer Goldesel wird es nicht.
Du merkst: Es geht NICHT darum Onlinekurse und/oder Automatisierungen schlecht zu machen.
Es geht um eine realistische Betrachtungsweise.
Finanzielle Überlegungen: Ist mehr wirklich mehr?
Bei Einzelcoachings liegt der Fokus auf weniger Kund:innen mit hohem Preis. Ein Onlinekurs benötigt hingegen viele Teilnehmer:innen, um rentabel zu sein.
- Einzelcoaching (10 Kunden): 10.000 € Umsatz/Monat, 17 Stunden Arbeit/Woche.
- Onlinekurs (10 Teilnehmer à 500 €): 5.000 € Umsatz/Monat, 10–12 Stunden Arbeit/Woche.
Selbst bei höherer Teilnehmerzahl steigen Aufwand und Werbekosten proportional.
Ähnlich verhält es sich bei höheren Preisen.
Gesamtfazit: Skalierung ist nicht gleich Zeitersparnis
Onlinekurse können ein attraktives Geschäftsmodell sein – aber sie sind keine Garantie für Zeitersparnis.
Bitte hab im Kopf, dass die hier genannten Zeitaufwandzahlen verhältnismäßig niedrig angesetzt sind.
Ich komme mit einem Marketingaufwand von 8 Stunden pro Woche easy hin, um einen Blogartikel, einen Podcast und verschiedene Social Media Posts und Storys zu produzieren.
Frage Dich mal: Wie lange Du dafür brauchst.
Denn worüber wir hier nicht gesprochen haben, ist, wieviel Output Du in dieser Zeit generierst.
Denn dieser ist essenziell für Deinen Marketingerfolg.
Außerdem musst Du entsprechend in Anzeigen investieren.
Auch das ist ein Numbersgame und bedeutet, Du musst oben einen nicht unerheblichen Betrag an Euronen rein schmeißen, um unten etwas rauszubekommen.
Außerdem musst Du dazu wissen, was ein Salesfunnel ist und wie Du ihn aufbaust.
Darüber sprechen wir dann im nächsten Artikel in der nächsten Woche.
Hier gilt jetzt nicht direkt umsetzen.
Denn das hier ist reines Hintergrundwissen.
Aber es gilt:
Mach Dir realistische Gedanken über Deine Verkaufsstrategie und Deine Angebotsstrategie.
Wie willst Du am Markt unterwegs sein und was ist für Dich in der Umsetzung realistisch?
Wenn Du Fragen hast, schreib sie einfach in die Kommentare.
Ich antworte auf jeden Fall.
PS: Das Ganze kannst Du auch wöchentlich als Podcast hören auf Spotify, iTunes, amazon und Google. Einfach Lieblingsplattform anklicken und den Podcast kostenfrei abonnieren. So bleibst Du automatisch immer auf dem Laufenden.
PPS: Meine 0,- Euro Tools, für Deinen Blog, Dein Sachbuch und Dein Content-Marketing findest Du hier: Wissen & Downloads. Anklicken, auswählen und loslegen 🙂
Hallo Anja
Deine Überlegungen sind sehr interessant. Meiner Meinung nach hast du die Entstehungskosten für einen Onlinekurs knapp kalkuliert. Ich beziehe mich auf meine Erfahrungen als Berufsschullehrer im Nebenamt, in dem ich immer mehr online unterrichten muss. Bei mir steht der Erfolg des Unterrichts stets an 1. Stelle. Onlineunterricht ist wesentlich arbeitsintensiver vorzubereiten als Direktunterricht. Ich kann mir vorstellen, dass das beim Coaching in etwa ähnlich ist. Ich bin 70 Jahre alt, und beschäftige mich zurzeit auch damit einen Onlinekanal aufzubauen. Dabei habe ich festgestellt, dass Lambo-Larry und Marketing-Marie in ihren Gratis Tipps auf einer sehr banalen Ebene arbeiten. Sie sind ein Teil ihres Funnels und es geht ihnen schlussendlich nur um den persönlichen Gewinn. Wirklich nützliche Tipps, habe ich wenig bis gar keine gefunden. (Außer bei dir).
Für deine E-Mails möchte ich dir ein Kompliment machen. Es ist selten dass sich ein werbe E-Mail bis zum Schluss lese und mir dann auch noch Gedanken darüber mache wie es aufgebaut ist. Davon kann ich nur lernen.
Liebe Grüße
Peter
Moin Peter,
erst einmal vielen Dank für das schöne Feedback: Made my Day.
Und ja, Du hast recht. Ich habe das Beispiel knapp kalkuliert.
Einfach, weil ich das als seriös empfinde. Es wäre zu einfach die Zahlen hoch anzusetzen, um meine These zu untermauern 😉
Herzliche Grüße
Anja